Feldwebel Anton Schmid |
"Jüngst, am 8. Mai, zum 55. Jahrestag des
Endes des Zweiten Weltkrieges, ist die Heeresflugabwehr-Schule der Bundeswehr in Randsburg umbenannt worden; sie heißt nun Feldwebel-Schmid-Kaserne. Verteidigungsminister Rudolf Scharping sagte bei der Umbennenungsfeier: "Feldwebel Anton Schmid hat Tapferkeit, Mut und Zivilcourage bewiesen... Mit der Benennung dieser Kaserne verneigen wir uns vor den Leistungen eines Mannes, der spontan und aus eigenem Antrieb viele Menschen vor dem sicheren Tod bewahrt und dies mit seinem eigenem Leben bezahlt hat." Der Minister beendete seine Ansprache mit den Worten: "Erzählen Sie die Geschichte weiter, damit sich die Zeit, in der er leben musste und um- kam, nie wiederholt." |
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"Wer war der Mann, dessen Ruhmestagen bis
heuto so wenigen Menschen bekannt sind?.... Anton Schmid wurde am 9. Januar 1900 als Sohn eines Postbeamten in |
"Wilna, das 'Jerusalem Litauens', zählte
seit Jahrhunderten zu den bedeutendsten geistigen Zentren der Juden. Hier blühten jüdische Wissenschaften, jiddische Kultur und Literatur. Neben den hoch geachteten rabbinischen Hochschulen wirkten hier Verfechter der Aufklärung. In Wilna wurde 1897 die bedeutendste jüdische sozialistische Partei der Welt, 'Bund' genannt, gegründet...Wilna war Hochburg sowohl der Zionisten aller Schattierungen als auch der Bundisten. Die etwa 65 000 Juden stellten fast ein Drittel der Bevölkerung.".... "..fast alle Führer der zionistischen Jugendorganisationen Polens hielten sich beim Kriegsausbruch 1941 dort auf. Es waren, und die Liste ist nicht vollständig, Mordechaj Anielewicz, Arje Wilner, Schlomo Entin, Jechiel Scheinbaum, Zvi Mersik, Chgaika Grossmann, Tema Sznajdermann und Mordechaj Tenenmann. Sie alle nahmen später an den jüdischen Aufständen als Führer teil und fielen im Kampf, nur Chaika Grossmann hat überlegt." |
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"Am 24. Juni 1941 wurde Wilna von der
Wehrmacht besetzt. Bereits darauf folgenden Tag begann der Leidensweg der Juden. Es wurden Geiseln genommen und erschossen, die jüdischen Häftlinge des Lukiszki- Gefängnisses wurden in den Wäldern ermordet. Seit dem 11. Juli wurde Ponary, zwölf Kilometer von Wilna entfernt zum Schauplatz der Massen- morde an den Juden Wilnas. Am 17. Juli wurden achthundert Juden von Deutschen und von litauischen Milizen, die sich 'Ypatingas bursis', also 'spezielle Abteilungen', nannten, umgebracht....Vom 31. August bis zum 3. September 1941 folge eine weitere 'Aktion', bei der achthundert Juden nach Ponary zum Erschießen geführt wurden als Vergeltung für angebliche Feuerüberfälle auf deutsche Soldaten, die es gar nicht gegeben hat. Vom September bis November 1941 wurden die Juden Wilnas durch weitere Erschießungen in Ponary dezimiert. Bei der 'Aktion' am 4. Oktober leisteten Juden Widerstand; viele wurden sofort erschossen, einigen gelang die Flucht, aber die meisten wurden unter Gewaltanwendung ins Lukiszki-Gefängnis und von dort nach Ponary zum Erschießen geführt. Von den 65 000 Juden beim Einmarsch der Wehrmacht waren im Dezember 1941 nach einem halben Jahr, nur noch zwölftausend 'legale' Juden am Leben. Sie mussten Zwangsarbeit in Betrieben der Kriegswirtschaft leisten und bekamen gelbe Ausweisscheine als Beweis einer produktiven, kriegswichtigen Tätigkeit.... |
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"Am 31. Dezember 1941 versammelten sich in
der Suppenküche des Ghettos, die sich in der Straszunia-Straße befand, 150 Aktivisten der jüdischen Organisationen zu einer Gedenkveranstaltung für die Ermordeten von Ponary.. Der Dichter und spätere Kommandant der jüdischen Partisanen Abba Kovner verlas einen Aufruf zum Widerstand in jiddischer Sprache, in welchem es am Ende heißt: 'Brüder, es ist besser, als freie Kämpfer zu sterben, als von der Gnade der Mörder zu leben. Leistet Widerstand bis zum letzten Atemzug.' Am 23. Januar 1942 wurde die 'Fareinikte Partisaner Organisazje', FPO, von Vertretern aller politischen Richtungen im Ghetto gegründet."... |
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"Feldwebel Schmid war in dieser schrecklichen Zeit über alles bestens informiert. Seine eigenen Beobachtungen und Gefühle konnte er mit keinem seiner Kameraden oder Vorgesetzten teilen. Wenn man Erzählungen und Berichte über seine für ihn lebensgefährlichen Hilfsaktionen liest, muss man sich wundern, wie er all das neben seinem regulären Dienst als Leiter der Versprengten-Sammelstelle bewältigen konnte. Im Zeitraum von wenigen Monaten, vom Spätsommer 1941 bis zum Januar 1942, hat er unglaubliche Heldentaten vollbracht. Er transportierte mit seinen Wehrmachts-Lastwagen, für die er selbst Marschbefehle ausstellte, bis zu dreihundert Juden von Wilna nach Woronowo, Grodno, Bialystok und Lida in Weißrussland. Denn dort waren die Juden noch nicht wie in Wilna von der Vernichtung bedroht... Schmid beschäftigte in den seiner Sammelstelle angeschlossenen Werk- stätten 140 Handwerker, die er mit gelben Scheinen ausstattete, was sie und ihre Familien vor Razzien schützte. Er versorgte sie mit Lebensmitteln. Mehrmals hiolte er 'seine' Arbeiter aus dem Lukiszki-Gefängnis heraus"... |
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"Anton Schmid hat sich historische
Verdienste um den Aufbau der jüdischen Widerstandsbewegung in Polen erworben. Dank Schmids Hilfe konnte sich die Idee vom bewaffneten Widerstand, die in Wilna geboren wurde, in anderen jüdischen Zentren, wie Warschau, Bialystok und Bedzin, ausbreiten. Schmid transportierte Waffen und Duzende von Widerstandskämpfern in andere Ghettos und sogar nach Warschau. Die Verbindung zwischen den in den Ghettos eingepferchten Juden Polens war äußerst schwer. Nur wer 'arisch' aussah, akzentfrei Polnisch sprach, entsprechende Papiere und einen 'Durchlasschein besaß, mutig und kaltblütig zugleich war, konnte eine Reise mit der Bahn wagen, trotz der häufigen Kontrollen durch die SS, SD, Gestapo, Feldgendarmerie, die litauischen Milizen und andere Organe. Große Gefahr, sowohl für die Retter als auch für die Geretteten, ging auch von polnischen und litauischen Denunzianten aus. Jüdidsche Männer waren wegen der Beschneidung bei einer Kontrolle zusätzlichen, tödlichen Gefahren aus- gesetzt. Aus Gründen der Konspiration konnte Schmid nur mit wenigen Juden Kontakt halten. Zu diesen zählte Mordechaj Tenenbaum, der geistiger und militärischer Urheber der Konzeption vom bewaffneten Widerstand in ganz Polen war. Er wurde Schmids Freund und Vertrauter. ... Schmids Wohnung war Treffpunkt des jüdischen Widerstands. Dort konnten sich Kuriere und Kurierinnen des Widerstandes von den Strapazen und Gefahren ihrer Reisen erholen und neue Aufträge entgegennehmen... Im Dezember 1941 erklärte sich Schmid auf Tenenbaums Bitte bereit, eine Delegation jüdischen Widerstands in Wilna mit seinem Lastwagen nach Warschau zu bringen. ...Die Delegation nahm sofort Kontakt mit ihren Genossen im Ghetto auf. Niemand von ihnen überlebte. Dank Antons Schmids Hilfe sprang die Rebellion auf die anderen Ghettos über." |
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"Anton Schmid wurde in der zweiten
Januarhälfte 1942 verhaftet und in das Militärgefängnis der Stefanska-Straße eingeliefert. Wie kam es dazu? Als das Ghetto in Lida Ende 1941 errichtet wurde, fiel den Gestapo- Beamten auf, dass dort viele Juden aus Wilna lebten. Mehrere von ihnen wurden verhaftet und sagten unter Folter aus, wie sie aus Wilna nach Lida kamen. Das Verfahren gehen Anton Schmid fand vor dem Kriegsgericht der Feldkommandatur der Wehrmacht in Wilna am 25. Februar 1942 statt. Der militärische Pflichtverteidiger wollte Schmids Kopf retten, indem er behauptete, dass der Angeklagte die Juden transportierte, weil er glaubte, dass sie von derWehrmacht als Arbeitskräfte gebrauchte würden. Schmid verwarf diese Argumentation und bekannte sich ausdrücklich dazu, dass er die Juden tranportierte, ums sie vor dem Tode zu retten. Der Gericht verurteilte Feldwebel Anton Schmid zum Tode. Das Urteil wurde am 13. April 1942 durch Erschießen vollstreckt.... Schmid wurde am Rande des Soldatenfriedhofs im Stadteil Antokol begraben." |
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"Kurz vor der Hinrichtung schrieb er seiner
Frau Steffi und seiner Tochter Gerta einen langen Brief, den der Pfarrer in Empfang nahm und weiterleitete: '...Es freut mich, daß ihr meine Lieben, gesund und alles bei Euch in Ordnung ist. Ich kann Dir heute schon alles oder mein Schicksal, das mich ereilte mitteilen...Es ist leider so, bin zum Tode verurteilt vom Kriegsgericht in Wilna...Man kann nichts dagegen machen als ein Gnadengesuch, glaube aber daß es abgewiesen wird, da bis jetzt alle abgewiesen wurden. Aber meine Lieben, darum Kopf hoch. Ich habe mich damit abgefunden und das Schicksal wollte es so. Es ist oben von unserem lieben Gotte bestimmt, daran läßt sich nichts ändern. Ich bin heute ruhig, daß ich es selber nicht glauben kann, aber unser lieber Gott hat es so gewollt und mich stark gemacht. Hoffe, daß Er Euch ebenso stark macht wie mich. Will Dir noch mitteilen, wie das Ganze kam. Hier waren sehr viele Juden, die vom Litauischen Militär zusammengetrieben und auf einer Wiese außerhalb derStadt erschossen wurden, immer so 2-3000 Menschen. Die Kinder haben sie auf dem Wege gleich an die Bäume angeschlagen usw. kannst Dir ja denken. Ich mußte, was ich nicht wollte, die Versprengtenstelle übernehmen, wo 140 Juden arbeiteten. Die baten mich, ich soll sie von hier wegbringen. Da ließ ich mich überreden. Du weißt ja, wie mir ist, mit meinem weichen Herzen. Ich konnte nicht denken, und half ihnen, was schlecht war, von Gerichts wegen. Denk Dir, meine liebe Steffi und Gerta, daß es ein harter Schlag ist für uns, aber bitte, bitte verzeiht mir. Ich habe nur als Mensch gehandelt und wollte ja niemanden wehtun. Wenn Ihr, meine Lieben, das Schreiben in Euren Händen habt, dann bin ich nicht mehr auf Erden. Werde Euch auch nicht mehr schreiben können, aber seid sicher, daß wir uns wiedersehen in einer besseren Welt bei unserem lieben Gott.' Schmid hat in dem Brief die Morde an den Juden dem 'Litauischen Militär' zugeschrieben, dass es gar nicht gab. Er konnte die SS-Mörder nicht beim Namen nennen, weil die Zensur diesen Brief sonst vernichtet hätte." |
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"Schmids Witwe erzählte nach dem Kriege,
dass sie von den Zeit- genossen in Wien viel auszustehen hatte, als bekannt wurde, dass ihr Mann hingerichtet wurde. Mehrere Nachbarn beschimpften Schmid als Landesverräter, schlugen ihre Fenster ein und verbrannten viele Briefe, darunter die von ihrem Mann. Obwohl im Bulletin von Yad Vashem ein ausführlicher Bericht über die Heldentaten von Schmid bereits im Juli 1953 erschienen ist, hat es über fünfundzwanzig Jahre seit seinem Tode gedauert, bis der Witwe von Anton Schmid imMai 1967 die Plakette und Ehrenurkunde der 'Gerechten der Völker' in Wien überreicht wurde. |